Karola Sophia Schmid ist eine deutsche Sopranistin, die derzeit Ensemblemitglied am Staatstheater Darmstadt ist, wo sie Rollen wie Pamina [Die Zauberflöte] und Marzelline [Fidelio] gesungen hat. In den Spielzeiten 2017/18 und 2018/19 war sie Opernstudio-Stipendiatin am Staatstheater Kassel und sang dort Rollen wie Musetta [La Bohème], Nannetta [Falstaff] und Anna Reich [Die Lustigen Weiber von Windsor].
Sie gastierte am Nationaltheater Mannheim, an der Staatsoper Hannover, am Staatstheater Nürnberg, am Theater Erfurt, am Theater Magdeburg und in vielen Produktionen am Theater Kiel. Wir lernten uns während unserer gemeinsamen Arbeit in Darmstadt kennen und trafen uns, um über das Leben als Sopranistin zu sprechen, wie sie ihren ersten Durchbruch hatte und wie sie heute ihre Karriere aufrecht erhält.
Deutsche Version mit Sonja Bühling
Wenn ich anderen jungen Sängern und auch mir selbst einen Rat geben müsste, dann wäre es, nie zu versuchen zu singen, um alles richtig zu machen oder die richtige Technik zu haben. Stattdessen sollte man immer seine Technik einsetzen, um etwas aussagen zu wollen, sonst macht das, was man tut, keinen Sinn oder ist leer.
Wenn du nicht Sängerin geworden wärst, was wäre dann dein Traumberuf gewesen?
Das ist wirklich schwierig, weil es so viele gibt! Ich glaube, ich wäre Autorin geworden, weil ich früher sehr gerne viel geschrieben habe.
Welche eine Sache würdest du mit auf eine einsame Insel nehmen?
Darf ich meinen Freund sagen?! Vielleicht sollte ich ihn nicht als Ding bezeichnen! Wahrscheinlich ein richtig gutes Buch. Oder einfach ein leeres Buch und einen Stift.
Welcher Song bringt dich auf die Tanzfläche?
Jede Salsa- oder Latino-Musik.
Hast du einen Lieblingskomponisten?
Mozart.
Lieblingsoper?
Das ist schwer. Da gibt es mehrere, aber unter ihnen sind definitiv „Die Zauberflöte“, „Cosi fan tutte“ und „Don Giovanni“. Ich habe „Die Zauberflöte“ gesungen und hoffe, dass ich bald „Don Giovanni“ singen werde – wir werden sehen!
Kannst du deinen Hot Toddy in drei Worten beschreiben?
Ich habe leider keinen hier, aber ich liebe einen wirklich trockenen, französischen Rotwein.
Sie haben mir damals einen großen Vertrauensvorschuss geschenkt, weil ich noch nie etwas auf der Opernbühne gemacht hatte.
Wie bist du zur Oper gekommen und warum hast du dich dafür entschieden, das beruflich zu machen?
Als ich jung war, war ich ein großer Fan von Musicals. Ich fing an, Gesangsunterricht zu nehmen, was alle in meinem Umfeld überraschte, denn ich hatte zwar lange Zeit Klavier gespielt, aber nicht gesungen, und niemand in meiner Familie machte Musik. Aber ich wollte einfach singen, und das hat sich dann automatisch vom Musical zur Oper verschoben.
Ich glaube nicht, dass ich jemals wirklich die Idee in Frage gestellt habe, das professionell zu machen, ich musste es einfach tun. Ich habe meinen Bachelor in Hamburg in Gesang gemacht und dann meinen Master an der Universität der Künste in Berlin in Operngesang. Das ist der normale Werdegang in Deutschland. Im Bachelor macht man Oper, Lied und Oratorium, und im Master kann man sich dann entscheiden, was man weitermachen möchte.
Wie hast du den schwierigen Sprung vom Studium zum Berufseinstieg geschafft?
Ich hatte das große Glück, schon während des Studiums am Kieler Opernhaus zu arbeiten. Das war ein ziemlicher Zufall, denn während ich noch in Hamburg meinen Bachelor machte, hatte ich gehört, dass sie ein Vorsingen für kleine Rollen veranstalteten, die Studenten übernehmen konnten. Ich hatte dort keinerlei Beziehungen und wusste nicht viel darüber, also rief ich einfach die Frau an, die dafür zuständig war.
Sie kannte mich ein bisschen, weil sie in Hamburg unterrichtet hat. Ich sagte, dass ich gerne vorsingen würde, und dann rief sie mich ein paar Tage später an und fragte, ob ich am nächsten Tag zum Vorsingen kommen könnte, weil jemand abgesagt hatte.
Ich ging hin und es war für eine winzige Rolle in einer Oper von Lully namens „Atys“. Ich hatte die winzige Rolle der Flore. Der Dirigent war Ruben Dubrovsky, der großartig war. Weil ich recht gut Französisch spreche, bat er mich, die Rolle der Sangaride zu lernen, eine der großen Rollen, weil es niemanden gab, der sie abdeckte.
Vier Monate später war die Sopranistin krank, was auch ein großer Zufall war, weil sie normalerweise nie krank ist. Das Theater rief mich an und fragte, ob ich die Rolle innerhalb von fünf Tagen einstudieren könnte. Sie haben mir damals einen großen Vertrauensvorschuss geschenkt, weil ich noch nie etwas auf der Opernbühne gemacht hatte. Ich war 22 und habe dem Operndirektor1 einfach gesagt: ‘Ja, ich kann das, keine Sorge’.
Danach habe ich erst einmal Luft geholt und gedacht ‘kann ich das wirklich?!’ Aber es hat gut geklappt und von da an habe ich dort immer Gastrollen bekommen. Ich glaube, das hat mir sehr geholfen, denn als ich mit meinem Master fertig war, hatte ich schon ein bisschen Erfahrung und ich glaube, das hat es etwas leichter gemacht, danach Arbeit zu finden.
Wie war es danach, am Theater in Kassel zu arbeiten?
Die erste Rolle, die ich dort übernommen habe, war Musetta als Wiederaufnahme2 und wir hatten nur zwei Wochen Probenzeit. Ich habe mir die Rolle mit einer anderen Sopranistin geteilt, daher war es gut, dass ich vorher schon Bühnenerfahrung hatte. Andernfalls, wenn man sonst noch nie etwas Großes auf der Bühne gesungen hat und das dann ohne Proben macht, könnte es etwas stressig werden. Ich habe auch an anderen Orten gastiert und danach in Darmstadt angefangen zu arbeiten.
Generell denke ich, dass es am Anfang schwierig ist, die Balance zu finden zwischen dem Respekt davor, dass man mit unglaublich talentierten Leuten zusammenarbeitet, die schon jahrzehntelange Erfahrung in der Branche haben, und andererseits dem Vertrauen darauf, dass das, was man künstlerisch empfindet, auch wertvoll und wichtig ist, obwohl man es vielleicht nicht seit Jahrzehnten gemacht hat.
Was sind die größten Schwierigkeiten für eine junge Sängerin, insbesondere für eine Sopranistin?
Die Konkurrenz, besonders für Soprane, ist so groß. Außerdem hat mich meine Familie immer extrem unterstützt, und ohne sie würde ich das nicht machen. Für mich ist das ein großer Faktor, und ich kann mir vorstellen, dass es noch schwieriger ist, wenn man die Unterstützung seiner Familie nicht hat. Da meine Familie überhaupt nicht in der Musikwelt zuhause ist, glaube ich, dass Menschen, die mit Eltern aufwachsen, die Musiker sind, auch lernen, sich in dieser Welt mit viel mehr Selbstsicherheit zu bewegen und mit mehr Selbstvertrauen zu sagen “Ich fühle diese Musik so, also ist sie richtig”, und das von Anfang an.
Bei mir hat es ein bisschen länger gedauert, bis ich darauf vertraut habe, dass mein künstlerischer Instinkt genauso viel Wert und Bedeutung hat. Andererseits denke ich, dass das Aufwachsen in einer Familie ohne musikalischen Hintergrund für mich den Vorteil hatte, dass ich von niemandem gedrängt wurde und wirklich meinen eigenen Weg finden konnte.
Generell denke ich, dass es am Anfang schwierig ist, die Balance zu finden zwischen dem Respekt davor, dass man mit unglaublich talentierten Leuten zusammenarbeitet, die schon jahrzehntelange Erfahrung in der Branche haben, und andererseits dem Vertrauen darauf, dass das, was man künstlerisch empfindet, auch wertvoll und wichtig ist, obwohl man es vielleicht nicht seit Jahrzehnten gemacht hat. Das kann eine Herausforderung sein.
Hast du das Gefühl, dass die Theater, an denen du gearbeitet hast, dich zu Beginn deiner Karriere mehr hätten unterstützen können, oder wurdest du gut unterstützt?
Ich habe das Gefühl, dass ich ins kalte Wasser geworfen wurde, aber ich denke, das war gut für mich, denn man lernt irgendwie zu schwimmen. Ich denke schon, zumindest aus meiner Erfahrung, dass die Musikhochschulen praxisorientierter sein könnten. Ich habe nicht wirklich viel gelernt außer dem Singen an sich. Ich hatte ein Wochenende über Vertragsrechte. Es muss für die Musikhochschulen schwer sein, die jungen Sängerinnen und Sänger vom Studium zum nächsten Schritt zu führen, aber es wäre sinnvoll, mehr zu lernen. Wie bekommt man einen Agenten, wie präsentiert man sich beim Vorsingen? Diese Art von Fragen sind wichtig.
Wie hast du einen Agenten bekommen?
Da ich schon ein bisschen den Fuß in der Tür hatte, konnte ich die Leute zu meinen Auftritten einladen oder ich konnte ihnen sagen, was ich gemacht hatte und ihnen eine Aufnahme schicken. Meine erste Agentur fand ich, als ich in Kassel war, weil ein Kollege mich empfohlen hatte. Meine andere Agentin hatte mich schon ein paarmal singen gehört und wir hatten uns nach Auftritten unterhalten. Wir hatten immer gesagt, dass wir irgendwann mal ein richtiges Vorsingen machen sollten, damit ihre Kollegen mich auch hören konnten, also haben wir das gemacht. Ich würde sagen, Arbeit bringt Arbeit. Das ist manchmal wirklich hart, denn den Fuß in die Tür zu bekommen, ist wirklich schwer.
Ich würde sagen, wenn man für sich selbst weiß, dass man eine Rolle nicht machen oder eine bestimmte Chance nicht wahrnehmen kann, dann hat man recht. Auf der anderen Seite glaube ich nicht, dass sich jemand jemals zu 100 Prozent bereit fühlt; also wo immer es eine kleine Chance gibt, ist es wichtig zu sagen ‘hier bin ich, lass es mich versuchen’.
Kämpfst du manchmal mit deinen Nerven?
Nicht bei Auftritten, nicht wirklich. Auch Vorsingen sind für mich meistens okay, weil ich es immer als den Moment sehe, in dem man wirklich man selbst sein kann. Es gibt niemanden, der dich so gut verkörpern kann wie du selbst. Man kann also, ein bisschen zugespitzt ausgedrückt, im besten Fall einfach hingehen und hoffentlich ein bisschen von “Hey, das bin ich” zeigen. Das ist ein Angebot. Wenn du es vermasselst, verletzt du niemanden außer dich selbst. Wenn es nicht klappt, dann klappt es eben nicht, und daran muss man sich als Sopranistin sowieso gewöhnen.
Aufregender finde ich da den ersten Tag einer neuen Produktion: Wie ist die Stimmung, in welche Richtung geht es, wie ist das Team? Mit dem Zustandekommen des Vertrags hat das Theater ja Vertrauen in den Sänger gelegt, also kommt es jetzt darauf an, dafür auch abzuliefern.
Für mich geht es immer um die Art und Weise, wie die Emotionen der Figur in Musik umgesetzt werden. Wenn ich das verstehen kann, ist es leichter zu singen.
Wie hast du deine Karriere bisher durchgehalten?
Es kann jederzeit passieren, dass keine Arbeit mehr kommt. Generell denke ich, dass es am wichtigsten ist, dass man nie das Gefühl haben darf, dass man es geschafft hat. Man muss immer weitermachen und versuchen. Das klingt ein bisschen nach einem Klischee, aber es ist wichtig.
Wie findest du die Motivation, weiterzumachen?
Natürlich schaffe ich es nicht immer, mich ständig zu pushen, aber sich vorzustellen “wie wäre es, wenn ich diese Rolle dort singen könnte?” hilft definitiv. Andere Leute zu sehen, motiviert einen auch. Wenn deine Freunde tolle Jobs bekommen, dann denkst du ‘cool, das will ich auch machen’. Aber letzten Endes denke ich, die größte Motivation sind die Musik und die Momente auf der Bühne selbst, denn sonst wäre es das nicht wert.
Hast du einen festen Karriereplan?
Nein. Überhaupt nicht, was seltsam ist. Das Einzige, was ich definitiv sagen würde, ist, dass ich das Gefühl haben muss, dass das, was ich tue, gut ist – natürlich nicht perfekt, aber generell auf einem guten Niveau. Wenn ich mit dem, was ich tue, nicht zufrieden bin, habe ich zumindest Leute um mich herum, von denen ich viel lernen kann.
Ich wäre nicht glücklich mit dem Gefühl, irgendwo geparkt zu sein, mit dem Gefühl festzustecken, dass ich mir etwas vormache, dass ich zwar weitermachen kann, aber immer nur Mittelmaß sein werde. In diesem Fall würde ich es vorziehen, weniger finanzielle Sicherheit zu haben, aber von großartigen Menschen zu lernen, irgendwo zu sein, wenn etwas passiert. Ich muss mich zufrieden fühlen und das Gefühl haben, dass ich mit anderen tollen Leuten Musik mache. Wenn sie besser sind als ich, ist das auch toll, weil ich von ihnen lerne.
Hat sich deine Stimme schon verändert und entwickelt, seit du angefangen hast? Siehst du, dass sie sich in Zukunft in eine bestimmte Richtung entwickeln wird?
Ja, ich würde sagen, dass sich meine Stimme durch die Arbeit auf der Bühne entwickelt hat. Ich habe immer noch Unterricht bei meiner Lehrerin und lerne von ihr, aber auch allein dadurch, dass man Proben und Vorstellungen macht und funktionieren muss, lernt man sich und seine Stimme sehr gut kennen, das bringt neben dem Gesangsunterricht auch eine unglaublich große Erfahrung, die man nur durchs tatsächliche Arbeiten auf der Bühne erlangen kann.
Ich habe einfach das Gefühl, dass meine Stimme über die Jahre geerdeter geworden ist, und ich denke auch, dass meine Höhe über dem hohen C einfacher geworden ist, so dass ich mich selbst in einer etwas lyrischeren Richtung mit Koloraturen gehen sehen könnte. Generell bin ich sehr glücklich, eine tolle Lehrerin gefunden zu haben, die meine Stimme unglaublich gut kennt und der ich uneingeschränkt vertraue. Das ist wahnsinnig viel wert.
Welche Art von Repertoire möchtest du machen, das du noch nicht gemacht hast? Gibt es bestimmte Rollen, die du gerne spielen würdest?
Ich würde gerne Susanna [Le Nozze di Figaro] oder Ilia [Idomeneo] singen. Ich liebe es auch, Händel zu singen, also würde ich gerne einige Händel-Rollen singen. Ich habe so viele Barockopern gemacht, aber durch irgendeinen Zufall nie eine Händel-Oper. Und dann wäre Gilda [Rigoletto] großartig. Generell fühle ich mich bei Mozart sehr ‘zu Hause’. Ich würde zum Beispiel in zehn Jahren gerne die Konstanze [Entführung aus dem Serail] machen. Dabei reizen mich die Rolle und die Musik.
Für mich geht es immer um die Art und Weise, wie die Emotionen der Figur in Musik umgesetzt werden. Wenn ich das verstehen kann, ist es leichter zu singen. Es gibt Arien, die in der Theorie technisch einfach sind, aber wenn ich sie singe, fühle ich mich unwohl oder wie ein blutiger Anfänger, weil ich sie emotional nicht "verstehe“. Wenn ich das Gefühl habe: ‚Ich weiß genau, wie sich das anfühlt und was das in dir bedeutet’;, dann ist es immer einfacher.
Ist dir die schauspielerische Seite schon immer in die Wiege gelegt worden, oder musstest du daran arbeiten?
Tatsächlich ist ein Teil dessen, warum ich Opernsängerin bin, die Schauspielerei und diese Momente auf der Bühne. Deshalb ist die Oper in vielerlei Hinsicht einfacher für mich als Konzertgesang. Ich liebe es, wie in der Oper alles zusammenkommt und diese Einheit aus Musik, Text, Charakter und Geschichte bildet. Es bringt alles in einer Sache zusammen. Für mich ist das ein sehr intensives Gefühl.
Du hast einige Auftritte als “Einspringer” absolviert, bei denen du sehr kurzfristig eingesprungen bist. Wie sind diese im Vergleich zu einem längeren Probenprozess? Wie ist das so?
Natürlich würde man nicht zu etwas ja sagen, von dem man in seinem Herzen weiß, dass man es vermasseln wird. Ansonsten ist es einfach ein Prozess, bei dem man Schritt für Schritt lernt und von einer Sache zur nächsten geht. Man ist fokussiert und weiß, dass man funktionieren muss, also tut man es. Das kann manchmal diese zusätzliche Energie geben. Es gibt immer Regieassistenten, die einen durch die Inszenierung führen.
Was war die kürzeste Probenzeit, die du je für ein Einspringer hattest?
Ich hatte einen Einspringer für die Rolle der Karolka in [Janaceks] Jenufa, was keine große Rolle ist, aber ich kam erst zwei Stunden vor der Vorstellung am Theater an und dann hatte die Regieassistentin auch noch ihre Notizen vergessen, also musste sie zu sich nach Hause gehen, um sie zu holen, um dann zurückzukommen. Wir sahen uns gemeinsam das Video der Inszenierung auf ihrem Computer an, weil das Theater nicht in der Lage gewesen war, mir zwei Tage zuvor eines zu schicken, als ich zugesagt hatte, die Vorstellung zu machen. Es war dann eine Stunde vor der Aufführung.
Wir sahen uns das Video gemeinsam an und ich stellte fest, dass es eine andere Version war als die, die ich zuvor gemacht hatte. Ich hatte das Theater mehrmals gefragt, ob ihre Version definitiv die gleiche sei wie die, die ich zuvor gemacht hatte, und sie sagten ja, aber das war sie nicht! Das meiste war so, wie ich es gemacht hatte, aber es gab vier Momente, in denen entweder Takte weggelassen oder hinzugefügt worden waren. Es war sehr stressig!
Außerdem hatte ich es vorher auf Tschechisch gemacht und sie machten es auf Deutsch. Als sie mich im Vorfeld anriefen, sagten sie, dass ich es auf Tschechisch machen könnte, aber ich sagte, dass ich die deutschen Wörter lernen würde, obwohl es dadurch noch komplizierter wurde, die Rolle neu zu lernen. Ich hatte auch um eine Probe mit dem Dirigenten oder zumindest einem Pianisten gebeten.
Am Ende war meine Probe so, dass der Dirigent zu mir kam, während ich geschminkt wurde, und einfach sagte: “Hallo, haben Sie irgendwelche Fragen? Ich musste nur sagen, ‘na ja, nicht wirklich’ und er sagte ‘na dann, viel Glück!’ und ging! Zum Glück war am Ende alles in Ordnung, obwohl ich im ersten Akt auch noch tanzen musste!
Welchen Rat hast du für junge Sängerinnen und Sänger?
Es fühlt sich ein bisschen komisch an, Ratschläge zu geben, weil ich selbst noch am Anfang meiner Karriere stehe. Wenn ich anderen jungen Sängern und auch mir selbst einen Rat geben müsste, dann wäre es, nie zu versuchen zu singen, um alles richtig zu machen oder die richtige Technik zu haben. Stattdessen sollte man immer seine Technik einsetzen, um etwas aussagen zu wollen, sonst macht das, was man tut, keinen Sinn oder ist leer.
Ich denke, Opernhäuser haben sehr alte, hierarchische Strukturen. Ich sage nicht, dass sie keine Hierarchie brauchen, denn die Kunst braucht sie; sie kann keine gesetzesfreie Zone sein, aber einige Dinge müssen reformiert werden.
Welche Veränderungen würdest du dir in der Opernwelt wünschen?
Ich denke, Opernhäuser haben sehr alte, hierarchische Strukturen. Ich sage nicht, dass sie keine Hierarchie brauchen, denn die Kunst braucht sie; sie kann keine gesetzesfreie Zone sein, aber einige Dinge müssen reformiert werden. Bei Daniel Cohen zum Beispiel, dem GMD3 in Darmstadt, macht es so viel Spaß, mit ihm zu arbeiten. Er ist eine erstaunliche Führungspersönlichkeit und er erlaubt den Leuten, die er führt, auch, Kunst zu schaffen und gleichzeitig seine Autorität aufrechtzuerhalten.
Es gibt eine andere Gruppe von Leuten, die den Prozess des Theatermachens als einen Weg sehen, Macht zu demonstrieren, und das ist nicht wirklich, Kunst machen. Ich bin mir nicht sicher, ob man das ändern kann, indem man die Struktur der Opernhäuser verändert. Vielleicht ist es nur eine altmodische Denkweise, die sich in den nächsten Jahrzehnten sowieso ändern wird. Jede Veränderung müsste sorgfältig durchgeführt werden.
Eine andere Sache, die ich gerne ändern würde, ist, dass es mehr Leute geben sollte, die nach den Aufführungen kommen und sagen: ‘Ich habe es einfach nicht verstanden und ich war wirklich müde, weil ich letzte Nacht nicht gut geschlafen habe’ oder ‘es war nichts für mich’, wenn sie sich so fühlen. Das ist mir lieber als Leute, die sagen: ‘Das war sehr bedeutungsvoll für mich’, obwohl es das in Wirklichkeit nicht war, Leute, die auf eine künstlerische Art und Weise sprechen, um intelligenter und würdig zu erscheinen. Es ist wichtig, diese Spießigkeit loszuwerden.
Ich habe das Gefühl, dass, als ich an der Musikhochschule anfing, wir auch alle ein bisschen so waren, aber ich habe herausgefunden, dass mich das auf Dauer nicht glücklich machte, und ich möchte lieber etwas Echtes haben und eine echte Reaktion bekommen. Wir müssen Theater so machen, dass jeder es verstehen kann – oder wenn es nicht immer logisch verständlich ist, dass die Emotionen verstanden werden, nicht nur von jemandem, der eine Doktorarbeit über Mozart-Opern geschrieben hat. Es darf weniger ein Ego-Trip für Regisseure sein, die nur zeigen wollen, dass sie etwas Intelligentes oder Ungewöhnliches machen können.
Welche Eigenschaften erwartest du von einem guten Regisseur?
Eine wirklich gut durchdachte Personenführung für meine Rolle. Ich möchte sehen, dass sie es wirklich durchdacht haben und dass die Art und Weise, wie sie die Charaktere erschaffen, wirklich Sinn macht, echt ist und nicht nur dem Zweck dient, etwas Neues zu machen. Ich habe immer das Gefühl, wenn es Regisseuren gelingt, sich an dieses Gefühl zu halten, im Denken und in der Art, wie sie die Emotionen der Figuren zeigen, echt zu sein, dann ist das immer klar, wenn man sich eine Aufführung ansieht.
Ich sage nicht, dass die Regie wieder so werden muss wie zu Zeiten von Elisabeth Schwarzkopf, wo es nur um den Sänger geht, der singt, aber ich denke, es gibt einige aufregende jüngere und ältere Regisseure, die Ideen für Abende entwickeln, die fesselnder sind, und die nicht nur auftauchen, um ‘ein Regisseur zu sein’.
Um ein großartiger Regisseur zu sein, muss man großartige Inszenierungen schaffen wollen, anstatt nur ein großartiger Regisseur sein zu wollen. Man muss sich auf das Stück und die Musik einlassen. Ich habe das Gefühl, dass es manchmal eine Loslösung von der Musik gibt. Jeder will seine eigene Version machen, was verständlich ist, aber manchmal geht das zu weit von der Musik weg. Diese Komponisten sind nicht ohne Grund fünfhundert Jahre später immer noch berühmt. Ich denke, es ist immer am besten, wenn die Musik und der Text eine Einheit werden.
Ich mochte unsere „Die Zauberflöte“ in Darmstadt, weil ich das Gefühl hatte, dass sie einfach Sinn machte und nicht versuchte, die Leute zu beeindrucken – und es dann, ohne es zu versuchen, doch tat. Natürlich kann man extreme Ideen haben, wenn sie zu dem Stück passen, aber zu oft wird das gemacht, um die Leute zu beeindrucken. Wenn es Ihr Ziel ist, die Leute zu beeindrucken, dann ist das Beeindrucktsein nichts, was Sie mit der Kunst verbindet. Es schafft tatsächlich eine Distanz zwischen Ihnen und der Kunst, denn Sie sind hier, und die Kunst ist dort drüben.
Ich denke aber, dass wir im Moment in der Oper und in der Kunst hier in Deutschland extrem privilegiert sind, und ich hoffe, dass das so bleibt. Ich bin mir nicht sicher, dass es so bleiben wird.
Was sind die Qualitäten, die du bei einem Dirigenten sehen möchtest?
Die besten Dirigenten übertragen die Emotionen in der Musik auf die Menschen, die sie dirigieren, und dann transportieren sie sie zurück zum Publikum. Es ist, als hätten sie einen emotionalen Subtext für jede Phrase. Ich liebe diese Momente, in denen man singt und diese Verbindung zum Dirigenten hat und man weiß, dass er dasselbe fühlt. Man atmet zusammen und weiß: ‘Ah, das ist dieser Moment’. Auch wenn ein Dirigent so aussieht, als würde er jede Sekunde genießen; das ist ansteckend.
Ich habe schon erwähnt, dass Daniel Cohen das in Darmstadt macht, aber auch Francesco Angelico, der GMD in Kassel. Ich habe auch mit [dem tschechischen Dirigenten] Vàclav Luks gearbeitet. Er ist so fantastisch und hat dieses Ensemble, Collegium 1704, in Prag, und sie führen Barockmusik auf. Wenn er dirigiert hat, hatte ich meine Arie, die ich emotional nicht so gut verstanden hatte, immer verstanden und besser gesungen. Ich singe immer besser, wenn diese ansteckende Energie da ist.
Was denkst du, wie die Oper in 100 Jahren aussehen wird?
Das ist sehr schwierig! Ich mache mir definitiv Sorgen, dass es finanziell schlechter werden könnte, vor allem nach Corona. Ich denke aber, dass wir im Moment in der Oper und in der Kunst hier in Deutschland extrem privilegiert sind, und ich hoffe, dass das so bleibt. Ich bin mir nicht sicher, dass es so bleiben wird. Ich mache mir auch Sorgen, dass die Oper die Verbindung zu den Menschen, die jetzt aufwachsen, verliert. Wir brauchen Leute, die kommen und zuhören. Im besten Fall wäre es vielleicht toll, wenn es etwas Frischeres wäre, einfach ehrliche Kunst, die eine gewisse Verbindung zu den Menschen hat, die sie machen, und zu den Menschen, die sie sich anhören und ansehen.
Als ich „La bohème“ in Kassel gemacht habe, hatten sie immer diese Jugendgruppen, die ins Theater kamen, um Wochenend-Workshops zu machen, und am Ende gehen sie dann in die Aufführung. Ein Kollege und ich wurden von ihnen eine Stunde lang interviewt und sie zeigten uns eine Aufführung, die sie vorbereitet hatten. Ich habe das Gefühl, dass sie es so sehr gemocht haben, weil es ihnen naheging. Nach den Aufführungen haben sie dann so sehr gejubelt. Ich habe das Gefühl, dass es wirklich wichtig ist, dass sich die Oper als etwas zeigt, das man anfassen kann und das den jungen Leuten nahe ist. Selbst wenn man nicht viel Erfahrung hat, finde ich es so wertvoll, wenn man zu einer Probe gehen kann oder selbst eine kleine Szene spielen kann oder jemandem zuhört, der drei Meter vor einem singt. Ich habe das Gefühl, dass Kinder das gerne haben würden. Ich hätte das gemocht, auch wenn ich früher nichts mit der Oper zu tun hatte. Diese Altersgruppe der Teenager ist wichtig.
Ich denke, wenn die Leute, die Oper machen, nicht echt sind und auf eine arrogante Art und Weise arbeiten, dann ist das der Tod der Oper. Ich möchte in der Lage sein, das Gefühl zu haben, dass ich meine Freunde, die sich nicht für Oper interessieren, zu Dingen einladen kann, die ich mache, ohne Angst haben zu müssen, dass sie sich langweilen. Letztendlich ist die Oper wirklich richtig cool und betrifft uns alle, aber viele Leute wissen es einfach nicht! Das ist manchmal ein wenig tragisch, und ich wünschte, das würde sich in Zukunft ändern.
Anmerkungen
- Der Operndirektor in einem deutschen Theater (nicht zu verwechseln mit einem ‘Regisseur’, dem künstlerischen Operndirektor) leitet das gesamte Arbeitsumfeld für die Opernkünstler im Theater. Manchmal sind sie auch an der Besetzung beteiligt.
- Eine Wiederaufnahme ist, wenn eine Inszenierung für eine zweite Spielzeit zurückkehrt, meist weil sie in der ersten Spielzeit, in der sie uraufgeführt wurde, so erfolgreich war.
- Der GMD (Generalmusikdirektor) ist der Chefdirigent eines deutschen Opernhauses. Er hat das Vorrecht, was er zu dirigieren hat und ist die oberste musikalische Instanz in allen musikalischen Angelegenheiten des Hauses.