Jared Ice ~ Bariton

Jared Ice ist ein amerikanischer Bariton, der für viele Theater in den USA und Deutschland gearbeitet hat. Er ist auch der Gründer und Co-Host von dem berühmten Podcast `Sex, Drugs and Opera´.

Deutsche Übersetzung von Sonja Bühling.

Jared Ice

Oper sollte immer ernst sein, genauso wie Hollywood-Filme ernst sind. Aber es sollte auch immer die Möglichkeit geben und erlaubt sein, sich darüber lustig zu machen.

D: Ok, also lass uns mit einer Schnellfragerunde starten. Nenne mir einen Song, der dich auf die Tanzfläche holen würde.

 

J: Oh Mann, das wäre irgendetwas von `The Killers´ – Mr. Brightside zum Beispiel.

 

D: Was ist dein Lieblingsinstrument?

 

J: Klavier oder Tuba. Ich habe jahrelang Tuba gespielt.

 

D: Lieblingsoper?

 

J: Tosca, denn es wird nicht langweilig, es fließt einfach. Der 3. Akt ist ein bisschen zäh, aber besonders der 2. Akt besteht einfach nur aus Handlung, Handlung, Handlung. Drei Charaktere und ist alles da, was Oper braucht: Intrigen, Drama, Liebe, Gewalt, es ist einfach voll gepackt.

 

J: Lieblingsproduktion einer Oper, die du gesehen hast?

 

J: Es ist zwar lange her, aber ich habe Der fliegende Holländer in Seattle gesehen, und Greer Grimsley war der Bassbariton. Auf der Bühne war nur ein riesiges Schiff, und sie hatten es so gebaut, dass die Bühne nach außen [in den Zuschauerraum] ragte. Es war einfach unglaublich, dieses Erlebnis mit der Musik und Grimsley mit dieser beeindruckenden Erscheinung, die er hat.

 

D: Hast du eine Lieblingsproduktion, in der du mitgewirkt hast?

 

J: Ehrlicherweise war das keine Oper, aber als ich in South Carolina war, haben wir ein Musical namens Das Barbecu gemacht. Es wurde in Seattle in Auftrag gegeben und es ist die Geschichte von Wagner`s Ring, wurde aber als Western Style Musical erzählt, also haben wir alle Cowboyhüte getragen und ich war Siegfried, der Cowboy. Der Zweck war, viele Menschen damit zu erreichen. Es war einfach nur Spaß und die Zuschauer haben es geliebt: eine lustige Show.

 

D: Lieblingskomponist klassischer Musik?

 

J: Ich würde Verdi sagen. Ich kann mich selbst nur schwer abgrenzen von dem, wer die Leute waren, und ich respektiere viele Dinge bei Verdis Leben, weil das in die Musik übergeht. Und wenn dir das einmal bewusst wird, kannst du es nicht mehr überhören. Dieser Typ hatte es einfach drauf, es war ihm möglich, in Sekunden Stimmungen einzufangen. Wenn du einen Blick auf die Noten wirfst, dann sieht die Seite so simpel aus, aber wenn die Musik erklingt, ist es so effektvoll. Bei Verdi gibt es nicht viel dick Aufgetragenes, sondern sehr viele Feinheiten.

 

D: Am wichtigsten- beschreib dein `Hot Toddy´ in drei Worten!

 

J: Ich werde einen weiteren Schluck nehmen. Leicht! Weißt du, ich könnte das den ganzen Sommer trinken. Sanft. Und, ich würde nicht warm sagen, sondern wohltuend! Sanft, leicht und wohltuend.

Ich wäre in meinem Leben mit einem “was wäre, wenn” nie glücklich geworden, und Europa ist für viele Musiker das große “was wäre, wenn”. Ich konnte das so nicht, ich konnte das nicht unversucht lassen.

Opera with a Hot Toddy Tosca Jared Ice
Jared als Scarpia in Puccinis Tosca. Photo von Uwe Hauth

 

 

D: Also du lebst nun seit fast 8 Jahren in Deutschland. Warum bist du damals nach Deutschland gegangen?

 

J: Ich hatte mein Künstlerdiplom abgeschlossen, war im Nordosten der Staaten als Sänger tätig und ich hatte kein wirkliches Ziel, wo ich hingehen könnte. Die Menschen in meinem Umfeld haben immer über Deutschland gesprochen, dass das DAS Land für Oper wäre, und ich hatte noch nie Angst davor, irgendwohin zu gehen.

 

D: Bist du davor schon viel im Ausland herumgereist?

 

J: Nein, ich hatte nur diese Gelegenheit. Ich hatte für eine Agentin in New York gesungen und sie sagte “Sammle ein paar europäische Erfahrungen. Geh für 2-3 Jahre dorthin, komm zurück und erobere die New Yorker Szene.” Und so kam ich nach Deutschland und blieb dann einfach. Eigentlich sollte es zeitlich begrenzt sein. Ich wollte kommen und es mir selbst ansehen, da jeder darüber gesprochen hatte, als wäre es der magische Ort, aber keiner ging dorthin. Ich muss mir die Dinge immer persönlich ansehen, also ging ich und mochte es. Ich wäre in meinem Leben mit einem “was wäre, wenn” nie glücklich geworden, und Europa ist für viele Musiker das große “was wäre, wenn”. Ich konnte das so nicht, ich konnte das nicht unversucht lassen.

 

D: Also war es eine allgemeine Vorstellung des Ortes als ein besonderer Grund?

 

J: Ich hatte keinen Job, ich hatte nichts organisiert. Ich hatte nur die Zeit und ein bisschen Bargeld. Ich wollte es einfach durchziehen und sehen.

 

D: Nun kennst du die deutsche und die amerikanische Opernszene ganz gut. Was könnte die amerikanische Szene von der deutschen Szene lernen?

 

J: Es liegt definitiv eine Stärke darin, manchmal mehr Leistungen auf kleinerem Niveau [kleinere Produktionen] zu machen. In den USA sind die Theater fast immer für 3000 Zuschauer ausgelegt und entweder du bist in einer dieser großen Produktionen oder du singst in einer Bar mit Klavier, wo du dein eigenes Kostüm trägst. Dazwischen gibt es nichts. Eine weitere Stärke ist, keine Angst davor zu haben, etwas zu wagen. In Deutschland gibt es die Unterstützung von der Regierung, daher ist dein Geld sicher und ich denke, dass der Mut darauf zurückzuführen ist. Deutsche Häuser haben keine Hemmungen, etwas Neues mit etwas Altem zu machen oder ein neues Stück zu wagen. In Amerika geht es viel mehr darum, den Sponsoren und dem Publikum gefallen zu wollen, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, weil von ihnen das Geld kommt. Wenn es also einen Weg geben würde, es authentischer zu gestalten, anstatt gefallen zu wollen, wäre das eine Stärke.

 

D: Hast du den Eindruck gewonnen, dass die deutschen Zuschauer mehr Interesse an ungewöhnlichen Stücken oder Produktionen haben?

 

J: Sie sind demgegenüber offen, es anzunehmen. Ich denke, dass diese Dinge in Amerika auch geschehen, allerdings müssen die neuen Werke oft mit einer Art sozialen Botschaft verbunden sein, wohingegen in Deutschland neue Werke oftmals auf einem Buch basieren.

 

Ich denke, in Amerika sind viele Dinge, künstlerisch und politisch, abhängig von einer Finanzierung, und wenn du eine Chance willst, deine Arbeit zu präsentieren, musst du eine Gruppe finden, die in dich investiert. Ich glaube auch, dass das amerikanische Denken eher gemeinschaftlich geprägt ist. Die Leute interessiert es beispielsweise „wem gehört das“. Die deutsche Denkweise ist nicht so.

 

D: Was würdest du einem jungen amerikanischen Sänger raten, der darüber nachdenkt, nach Europa zu gehen?

 

J: Hab´ einen Weg, hab´ ein Ziel, je offener du gegenüber den verschiedenen Wegen, wie eine Karriere passieren kann, eingestellt bist, desto eher wird es passieren, und um so glücklicher wirst du sein, es tun zu können. Viele Sänger kommen hier herüber und denken „ich brauche ein `Young Artist Programm´, ich brauche eine Festanstellung in diesem Fach“, und je mehr du darüber nachdenken kannst „vielleicht Chor, vielleicht bisschen Musical, vielleicht mein eigenes Projekt“, desto eher wirst du deinen eigenen Weg finden und du wirst stets überrascht sein, wie manches, das ohne Bezug erscheint, dich zu dem zurückführen und leiten kann, wo du sein möchtest.

 

D: Ich würde gerne das Thema Festanstellung vs. Arbeiten als Selbstständiger ansprechen. Glaubst du, dass das eine besser als das andere ist, und was ist deine persönliche Erfahrung damit?

 

J: Ich habe in den vergangenen acht Jahren hauptsächlich als Gast an den Theatern gearbeitet. Ich hatte lediglich einmal eine Festanstellung und da gibt es Pros und Kontras. In der aktuellen Lage angesichts der Absagen aufgrund des Coronavirus ist es natürlich besser, eine Festanstellung in dieser Zeit zu haben. Ich habe in diesem Monat drei Shows verloren, und das ist eine Menge Geld, das man mit einer Kündigungsfrist von vier Tagen verlieren kann. Es geht dabei zum einen um den finanziellen Aspekt, zum anderen aber auch um Themen wie Krankenversicherung und auch darum, wie die Umstände in deinem Leben sind und du allgemein als Mensch bist. Ich habe es immer genossen, gastieren zu gehen, da ich ein Projekttyp bin, aber ich kann mir vorstellen, dass ich, wenn ich ein Familie hätte, meine Zeit mit ihr verbringen würde, da wäre eine Festanstellung wahrscheinlich einfacher. Es geht mehr darum, beidem gegenüber offen eingestellt zu sein und zu sehen, was für dich/ dein Leben passt.

 

D: Glaubst du, dass es einen künstlerischen Unterschied zwischen den beiden gibt?

 

J: Ja, ich finde, dass man bei einer Festanstellung oft überlastet ist. Du hast so viel zu tun, dass du gar nicht so richtig eintauchen kannst. Du hast unzählige Vorstellungen, dafür baut man Konsistenz und Stärke auf und nur durch die Wiederholungen der Vorstellungen kann man die Schattierungen und Farben herausarbeiten, aber ganz oft ist das nicht so erfüllend wie Gastieren es sein kann, wo du über sieben oder acht Monate mit dem Stück lebst und du deinen eigenen Rhythmus hast, das Stück aufzubauen.

 

D: Findest du es schwer, dich zu disziplinieren, wenn du gerade nicht so viel zu tun hast?

 

J: Ich finde es leicht, weil ich herausgefunden habe, was für mich funktioniert. Aber es ist definitiv schwerer, da du selbstständig deine Zeit einteilen musst und dich für Tag 1 der Proben alleine vorbereiten musst. Das ist immer eine Herausforderung. Du musst ehrlich dir gegenüber sein, mit deinen Stärken und Schwächen, und herausfinden, was für dich funktioniert.

 

Jared Ice Matthus Opera with a Hot Toddy
Jared als Faal in A Bad Man’s Life, eine Oper von Frank Matthus. Photo von Uwe Hauth

 

D: Was sind die größten Herausforderungen in Deutschland, als Opernsänger zu arbeiten?

 

J: Ich denke, es ist wie bei jedem anderen Job, bei dem man, sagen wir, als Polizist nicht weiß, wie viel Papierkram man macht. Ich denke, wenn man schauspielern und singen kann, dann hat man eine Karriere; ich habe nur ein paar wenige Sänger erlebt, dessen Karriere geendet hat, da sie nicht gut genug gespielt oder gesungen haben. Das Leben eines Musikers ist der härteste Part. Die Realität, ein Künstler zu sein und seinen Lebensunterhalt mit etwas zu bestreiten, das so viel emotionale Energie und Zeit erfordert, wird immer schwieriger, je weiter man im Leben voranschreitet. Du hast vielleicht eine Familie und Kinder, oder allgemeiner gesprochen, es gibt einen höheren körperlichen Tribut – ich bin 32 Jahre alt und ich merke, dass es zunehmend härter wird, eine Vorstellung bis 23 Uhr zu machen und am nächsten Tag wieder früh aufzustehen, um zu proben.

 

Es ist keine einfache Art, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ebenso ist das Leben kein einfaches; als ich jünger war und in einer Rockband spielte, war es richtig cool, ein Musiker zu sein, und ich denke, dass viele Musiker Träumer sind- sie wollen etwas Größeres. Wenn du aber mal die 30er erreicht hast, heiraten deine Freunde um dich herum, bekommen Jobs als Banker oder Berater, kaufen Häuser, Autos oder finden Investitionsmöglichkeiten, und du bist damit beschäftigt, einfach nur zu singen. Ich denke, dass es immer schwieriger wird, seinen Weg zu finden. Wenn du eine Familie hast, wirst du vieles verpassen, und wenn es nur ist, dass du deinen Partner abends alleine Netflix schauend zurücklassen musst. Man arbeitet samstags und sonntags und irgendwann erreichst du einen Punkt und stellst fest, dass das nicht nur vorübergehend ist. Du hast nicht nur fünf Tage Arbeit und dann Wochenende, das zehrt an einem. Eine andere Herausforderung ist zu wissen, wann man `nein´ sagen muss. Das ist schwer zu lernen und ich habe gemerkt, dass ich damit zu kämpfen habe.

 

D: Was ist dann die andere Seite der Medaille, warum machst du weiter?

 

J: Ich habe ein paarmal versucht aufzugeben, aber ich kann es einfach nicht! Ich mache lieber weiter und habe dafür weniger von den anderen, materialistischen Dingen, denn es ist mein Leben. Ich habe damit begonnen, als ich fünf Jahre alt war, und ich muss es einfach tun. Deswegen gibt es für mich keine Wahl, und es lohnt sich! Wenn es mal hart ist, dann ist es hart, und wenn es gut läuft, dann ist es extrem erfüllend. Und genau dieses Spektrum ist der Grund, warum ich es tue, denn die meisten Jobs sind gerade mal zu 20% erfüllend, und die Schwierigkeiten liegen bei – 20 %. Für uns ist es 100-100.

 

D: Dem stimme ich voll und ganz zu. Ich persönlich brauche nur einen dieser erfüllenden Momente im Monat und das reicht mir, um die schlechten Momente wettzumachen.

 

J: Ja, und ich mag es, Besitzer über das zu sein, was ich geschaffen habe. Ich besitze das, was ich als Sänger erreicht habe, wohingegen, wenn du für ein Unternehmen arbeitest, dann bist du lediglich ein kleiner Pixel, wie bei einem Fernsehbildschirm. Damit konnte ich noch nie gut umgehen.

Die Zauberflöte ist teilweise ziemlich lustig und die Leute genießen das…wenn man sich Cosi fan tutte von Mozart oder ein paar Donizetti-Opern ansieht, dann sind die wie Sitcoms, nur ohne eingespielte Lacher.

D: Lass uns über den Podcast reden. Du betreibst zusammen mit dem Tenor Michael Pegher den berühmten Podcast `Sex, Drugs and Opera´. Warum habt ihr damit begonnen?

 

J: Ich habe damit begonnen, da ich mich daran zurückerinnert habe, als der Operndirektor Speight Jenkins damals in Seattle einen Vortrag gehalten hat. Ich war ungefähr 20/21 und er sagte bei diesem Vortrag: “Eines der tragischsten Dinge ist, dass einige der besten Stimmen der Welt nie gehört werden, weil sie zu früh aufgeben.“ Vor allem, wenn du eher eine dramatische Stimme hast, muss man für viele Leute warten, bis man 35 ist, um anzufangen. Doch was machst du, bis du 35 bist? Ich habe meinen ersten Scarpia [in Tosca von Puccini] gesungen, als ich 26 war, was viel zu früh war. Wir hatten 12 Vorstellungen mit großem Orchester. Danach wurde ich gefragt, den Graf Walter in Luisa Miller in Deutschland zu singen, was auch eine große Verdi-Rolle ist. So wurde ich immer früher und früher angefragt, größere und größere Rollen zu übernehmen. Ich hatte, wie bereits erwähnt, Mühe, nein zu sagen, und meine Stimme fing an, sich auf schlechte Weise zu verändern. Ich dachte, ich müsste meine Zeit mit etwas Kreativem und Opernmäßigem füllen, also habe ich mit 29 mit dem Podcast begonnen.

 

Außerdem ist mir aufgefallen, dass die Menschen zu dieser Zeit nicht so über Oper sprachen, wie ich es getan habe. Meine Freunde und ich sprachen über Oper ohne jegliche Haltung, wo wir einfach sagen konnten „das war verdammt gut“, und diese Stimmen gab es da draußen noch nicht. Ich hatte das Gefühl, dass es wichtig war, dass es sie gab, egal wie klein oder groß sie waren.

 

D: Würdest du sagen, dass das eine Reaktion darauf war, weil Oper manchmal zu ernst genommen wird?

 

J: Ja. Oper sollte immer ernst sein, genauso wie Hollywood-Filme ernst sind. Aber es sollte auch immer die Möglichkeit geben und erlaubt sein, sich darüber lustig zu machen. Die Zauberflöte ist teilweise ziemlich lustig und die Leute genießen das. Und auch bei Verdi wurden politische Figuren kommentiert, nur heute nimmt man alles so ernst. Man könnte einen schlüpfrigen College-Film aus einer Oper machen, so eine Art Will-Ferrell-Film. Die Zauberflöte ist teilweise auch etwas verdorben und manchmal etwas überzogen.

 

D: Erzähl uns was über die Mini-Opern, die du als Teil des Podcasts komponiert und produziert hast. Ich denke, dass die sehr bahnbrechend sind.

 

J: Heutzutage machen alle so ernsthafte Sachen, aber wenn man sich Cosi fan tutte von Mozart oder ein paar Donizetti-Opern ansieht, dann sind die wie Sitcoms, nur ohne eingespielte Lacher. Ich hatte das Gefühl, dass niemand sich getraut hat, etwas Dumm-lustiges zu schreiben, das mit klassischer Musik orchestriert ist und klassisch gesungen wird, aber dennoch albern, aktuell und relevant ist. Das wollte ich auch, und all diese Dinge führten dazu, dass ich die Mini-Opern als Plattform für meine kreativen Impulse schuf, weil ich diese Stimme nach außen bringen wollte, aber auch meine Zeit mit einem kreativen Projekt füllen, bei dem ich die Kontrolle darüber habe, wie ich meine Stimme einsetze.

 

Unser Ziel ist immer, die englische Aussprache so nah wie möglich am Gesprochenen zu halten, deshalb verwenden wir nicht die englische Sängeraussprache, denn wir möchten, dass es nachempfindbar ist. Ich denke, dass die Überartikulation der Sprache eines der Dinge ist, warum Menschen, die keine Oper hören, es befremdlich finden. Die Art des Singens und die Aussprache hat absolut nichts mit der Art zu sprechen gemein. Die Worte, die wir verwenden, reimen sich auch selten, es sei denn, es geht darum, einen Witz zu machen, und sie sollen Inhalte für soziale Medien sein. Ein Instagram-Post beträgt maximal 60 Sekunden, deswegen sind unsere Posts alle 59 Sekunden lang oder kürzer, denn Instagram ist die Plattform, die wir mit einem Take nutzen wollen. Unsere Beiträge sind als Opern-Memes zu verstehen; du sollst sofort erfassen können, um was es geht. Es gibt keine Hierarchie.

Jared Ice Michael Pegher Opera with a Hot Toddy
Jared mit Co-Gastgeber von Sex, Drugs and Opera, Michael Pegher

 

D: Und wenn du die Musik komponierst, ist dir die Geschichte wichtig?

 

J: Die Geschichte ist alles! Ich möchte eine Stimmung erzeugen: ist das lustig, beängstigend, sarkastisch? Und dann möchte ich, dass das Geschichteerzählen beginnt. Ich möchte, dass die Opernstimme benutzt wird, aber sie soll Raum haben, dass sie so funktioniert, wie sie es braucht. Manchmal benötig die Opernstimme Präzision oder Raum, und so versuche ich, ihr viel Raum zu geben. Ich denke, mein Stil ist entweder Präzision oder ungestüme Freiheit, nicht viel dazwischen!

 

D: Um zu dir als Darsteller zurückzugehen, was brauchst du von einem Dirigenten?

 

J: Oh, das ist eine interessante Frage! Bei einem Dirigenten mag ich nicht so gern, wenn es nur richtig oder falsch gibt, sondern eher ein Ausprobieren, was funktionieren könnte. Die besten Dirigenten, mit denen ich zusammengearbeitet habe, haben mich um etwas gebeten, und wenn ich gesagt habe „ich kann das machen, aber es funktioniert nicht wirklich gut“, dann haben sie geantwortet, „lass uns etwas anderes ausprobieren.“ Die Dirigenten, mit denen ich am liebsten zusammenarbeite, versuchen nicht, ihre Idee durchzuboxen; sie sind offen für eine Zusammenarbeit. Sie drängen dich, etwas zu tun, wenn sie wissen, dass du es kannst, aber sie werden dich nicht in eine Schublade zwängen, wenn du also eine tiefe [schwere] Stimme hast, werden sie dich nicht zwingen zu schweben.

 

Stattdessen finden sie etwas, das sich eher auf die Zuschauer überträgt, denn das Publikum weiß die meiste Zeit nicht, wie sein soll. Die meisten bekommen lediglich einen Eindruck, um was es in der Geschichte geht.

 

Die besten Entscheidungen von Dirigenten sind entweder emotional gesteuert oder musikalisch begründet. Die sagen vielleicht „dein Rhythmus muss hier genau sein, denn wir brauchen das, um zu tanzen. Es muss hier tanzen, weil wir hier die Leichtigkeit benötigen, ansonsten wäre es nicht lustig.“ Das Optimum ist erreicht, wenn sie eine gute Vorstellung hinlegen wollen, die die Menschen als Resultat die Menschen berührt, und nicht als Museumsstück erreicht. Nicht wie bei Guitar Hero – „wie viele Noten hast du richtig“, aber „hat es dich berührt?“

 

D: Was ist mit Regisseuren? Wonach suchst du bei denen?

 

J: Ähnliche Antwort, denke ich. Ich mag es nicht, wenn ein Regisseur kommt und er nur sein Konzept akzeptiert und du sollst dich einfach nur unterwerfen und machen, aber ich mag es auch nicht, wenn ein Regisseur sagt „biete mal was an“.

 

D: Also irgendwo in der Mitte?

 

J: Ja, etwas mit Zusammenarbeit. Ich möchte, dass sie da sind, um meine Lücken zu füllen, denn ich muss spielen und habe künstlerische Impulse als Darsteller, aber ich kann mich selbst nicht sehen, und oft kenne ich auch die Geschichte des Stückes nicht so gut, wie sie sie kennen. Sie müssen meine Lücken füllen und meine Stärken erkennen, indem sie das nutzen, was sie haben, um die Geschichte zu erzählen, anstatt das, was sie sich wünschen, dass sie gerne hätten. So ist das in Deutschland größtenteils, wenn ich deutsch spreche, da ich einen amerikanischen Akzent habe. Es ist nun mal so. Als Regisseur kannst du dich entweder darüber ärgern und dir wünschen, dass ich ein Deutscher wäre, oder du kannst meine Figur international werden lassen, mit nur einem Satz! Du könntest eine andere Figur z.B. sagen lassen „Bist du schon zurück aus Amerika?“ Irgendwie so etwas. Oder wenn man mich nicht zwingt, in Dialekt zu sprechen. Ich wünsche mir jemanden, der sachkundig und kooperativ ist.

 

D: Zum Schluss, was ist die Zukunft der Oper? In hundert Jahren, denkst du, dass es immer noch so ist wie heute?

 

J: Das ist schwer zu sagen. Ich denke, Musik im Allgemeinen wird sehr digital werden und sogar interaktiv. Ich denke, die Zukunft von Filmen, Musik und CGI wird so aussehen, dass man sich vor seinen Smart-TV setzt und sagt „ich möchte einen Action-Horror-Film mit Bruce Willis sehen, mit seinem Alter aus 1995, mit Musik wie von Hans Zimmer“ and dann wird der Fernseher für dich diesen Film schreiben und die Musik. Das hört sich sehr sciencefiction-mäßig an, aber wenn man sich die ‚Deep Fakes’ und die Musik ansieht, die Computer schon im Moment schreiben können, ist es sehr gut möglich, dass das die neue Normalität sein wird. Wenn das die Welt ist, wo wird dann die Oper ihren Platz in dieser Welt haben? 

 

Ich denke, wenn Oper in 100 Jahren immer noch existiert, dann werden die Menschen zurückkommen, denn sie trägt etwas in sich, wodurch sie schon sehr lange überlebt hat. Ich denke nicht, dass die Oper sich großartig verändern muss. Sie muss flexibel sein, digital und mit den Trends gehen, aber entweder muss die Oper sich zu etwas Neuem verändern oder sich einfach öffnen und die Menschen heranlassen. Ich glaube nicht, dass Oper jemals ein Problem mit sich selbst hatte, sondern eher damit, dass sie Leute ausschließt. Die Menschen wissen oft nichts darüber und wo sie hingehen sollen.

 

Verdi hat früher von dem “Goldenen Faden” in der Oper gesprochen, und was auch immer das Unbeschreibliche ist, das muss es auch weiterhin tun. Es muss entweder etwas Neues werden, was du mit Oper nicht in Verbindung bringen würdest, oder es muss lernen, stolz zu sein auf das, was es ist, und aufhören zu versuchen, ein Marvel-Film zu sein und „cool“ wirken zu wollen. Diese Met-Übertragungen in Kinosälen sind eine gute Richtung. Was wir in unserem Podcast machen, ist auch eine gute Richtung. Ich denke, die Menschen wollen Authentizität geliefert bekommen und dass die Oper treu und stolz ist auf das, was sie tut, ist die einzige Chance, die sie hat. Das ist ihre Zukunft.

 

Vielen Dank an Bariton Jared Ice für das Interview dieser Woche. Ihr findet seinen Podcast `Sex, Drugs and Opera´ auf allen guten Podcast Plattformen und klickt auf den Link, um seine neueste Mini-Oper mit seinem Co-Gastgeber Michael Pegher anzusehen, inklusive einer stummen Rolle von einem anderen bekannten Gesicht.

 

Weitere Links

Jareds Website: Link

Sex, Drugs and Opera: Link

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